Gerhard Helmecke war im wahrsten Sinne ein Genie. Diese
Behauptung geht nicht nur davon aus, dass er mein Vater war,
sondern basiert sich auf die einmaligen Leistungen die auf
dieser Webseite genauer beschrieben werden.
Es ist nicht zu bestreiten, dass er ein energischer Mensch
war und schwierig sein konnte. Es war oft nicht leicht mit
ihm auszukommen, nicht nur für seine Angestellten und
Arbeiter, sondern auch für seine Familie. In dieser
Beziehung kann Ich diese Neigung persoenlich bescheinigen in
dem wir uns oefter maechtig stritten, so weit dieses
ueberhaupt moeglich war. Denoch war er ein grosses Talent.
Er war fast sein ganzes Leben davon besessen, eine bestimmte
Richtung zu verfolgen. Diese Einstellung war ganz der
Gegensatz zu seinem Vater: dieser befasste sich hin und
wieder mit den verschiedenen Projekten, aber führte
schliesslich keines davon erfolgreich zu Ende.
“Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln”, sagte
mein Vater immer; “Nicht die Flinte gleich ins Korn
Schmeißen”…
Damit war sein Vater gemeint und er bestand darauf nicht
dieses "hin und her" zu wiederholen.
Unglücklicherweise wurde ihm diese eiserne, oftmals
unflexible Lebensansicht am Ende zum Verhängnis.
Mein Vater wurde am 2. Dezember, 1918 in Neue Schleuse, in
der Nähe von Potsdam, geboren, der jüngere von zwei Brüdern.
Sein Vater war Ingenieur von Beruf und zuweilen
Buergermeister der Ortschaft. Sein Bruder wurde Mathematiker,
dann Astrologe. Nebenbei beherrschte er nicht weniger als 7
Sprachen, darunter Latein, Griechisch und Hebraeisch.
Nicht so intellektuell wie der Bruder, war er dagegen ein
selbstaendiger, strebsamer, fleißiger und sparsamer Junge,
der oft in der nahegelegenen Havel nach Kohlestücken tauchte,
die manchmal von den Kähnen beim Transport ins Wasser fielen.
Die Veranlagung zur Sparsamkeit hatte er von seiner Mutter,
die stehts betonte: “Wer den Pfennig nicht ehrt ist des
Talers nicht wert”.
Eher unpassend zu seinem Charakter, galt sein erstes
Interesse nicht der Technik, sondern der Backkunst. Er
wollte eigentlich Bäcker lernen, und versuchte, seinen Vater
zu überzeugen, ein Café mit Kino aufzumachen. Es war zu der
Zeit eine recht fortschrittliche Idee, die ihm auf die Dauer
ein weit besseres, verhältnismässig sorgloses und ohne Frage
längeres Leben beschert hätte.
Am Ende aber konnte er seinen Vater nicht dazu bewegen,
seinen Plan auszuführen.
Danach
entschloss er sich, Werkzeugmacher zu lernen, und wurde
Lehrling bei der weltbekannten Optikfirma Nitsche und
Günther, Rathenow (NiGuRa). Zum Abschluss seiner Lehre
machte er dort vor Kriegsbeginn seine Gesellenprüfung. Vom
Meister bekam er eine ungewoenlich positive Bewertung.
Noch vor dem Krieg trat er in die Luftwaffe ein. Nach dem
Abschluss seiner allgemeinen Grundausbildung wurde er der
Waffenmeisterei für Jagdflieger unterstellt.
So kam er mit seiner Kompanie im ersten Kriegsjahr nach
Holland, und dann nach Frankreich. In den folgenden Jahren
weiter nach Polen, und östlich in die Ukraine. Die
Fliegerhorste wurden oft verlagert, je nach der Verschiebung
der Front.
Am
2. März 1943 heiratete er Ursula Heinrichs, die er noch vor
dem Krieg in Rathenow kennengelernt hatte. Genau an dem Tag,
zwei Jahre später, fiel der Bruder meiner Mutter im
Rheinland. Danach wurde der Hochzeitstag nie wieder gefeiert.
Die restlichen Kriegsjahre hat er, glücklicherweise,
unversehrt überstanden, aber der Krieg nagte für immer an
seiner Seele, da er sechs Jahre seines Lebens dadurch
verloren hatte.
Bei Kriegsende befand er sich in der Nähe von Berlin. Die
Luftwaffe-Uniform wurde gegen Zivilkleidung umgetauscht. Er
entkam die russische Kriegsgefangenschaft nur dadurch,dass
er sich als französischer Zwangsarbeiter ausgab. Seine
früher erlernten Sprachkenntnisse hatten ihm diese List
ermöglicht. Um auch oberflächlich französisch auszusehen,
liess er sich einen Schnurrbart wachsen und trug
einfranzösisches Barett. Gottweiß, wo er dieses gefunden
hat. Bei der ganzen Angelegenheit hatte er großes Glück dass
keiner der Rotarmisten Französisch sprach.
Einige Monate lang arbeitete er sogar als Bäcker für die
Rote Armee. Seine Backwaren wurden bei Bedarf mit Holzspänen
ergänzt, wenn das vorhandene Getreide nicht ausreichte.
Die wertvollen Kontakte, die er dort knüpfte, ermöglichten
es ihm,Verpflegung zu “organisieren”, die sonst nicht zu
haben waren. So wurden lebenswichtige Nahrung sowie auch
Kleidung unter den Familienmitgliedern verteilt. Zur Frust
meines Vaters verteilte seine "zu" gutmütige Frau einen
großen Teil davon an die hungernde Nachtbarschaft.
Flucht in den Westen
Mein Vater war sich schon sehr früh im Klaren, dass es für
ihn in der sowjetischen Besatzungszone keine Zukunft geben
könnte, also entschloss er sich in kurzer Zeit, mit seiner
Frau in die britische Zone zu flüchten.
Doch war zu dieser Zeit das Reisen zwischen den
verschiedenen Zonen nicht erlaubt.
Mit einigen tragbaren Habseligkeiten und ein paar
Butterbroten begann die abenteuerliche Reise per Güterzug in
den Westen. Es wurde eine Höhle in einem Kohlenwaggon
ausgeschlachtet, ein Holzdeckel darauf gelegt, und Kohle
darüber verteilt. Dieser unbequeme Schlupfwinkel machte die
Grenzüberfahrt möglich.
Am Ende der Reise befanden sie sich in Wattenbek, Ende 1946,
mit nichts.